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06. März 2021

Wolfgang Bierek

50 Jahre Kirchenmusiker in Allerheiligen

 

Wolfgang Bierek ist seit nun 50 Jahren als Organist und Kirchenmusiker in Allerheiligen tätig, aber nicht nur dort. Anlass genug, den Menschen an den Tasten etwas näher kennen zu lernen. Über seinen Weg an die Orgel wird er berichten. Über das, was mit der Tätigkeit zusammenhängt, dass eine Orgel Wartung und Pflege braucht, dazu haben wir ihn gefragt. In der Osterausgabe 2021 des Pfarrbriefes ist eine Würdigung seines Schaffens erschienen.

Wolfgang Bierek in AllerheiligenGroßansicht öffnen

Wolfgang Bierek an der Orgel in Allerheiligen

Die Orgel in AllerheiligenGroßansicht öffnen
Wolfgang Bierek in St. HedwigGroßansicht öffnen

Wolfgang Bierek an der Orgel in St. Hedwig

Norbert Lübke: Herr Bierek, wie sind Sie zum Orgelspiel gekommen?
Wolfgang Bierek: Aus einem musikalischen Elternhaus stammend, begann ich mit acht Jahren das Klavier-spielen. Meine Klavierlehrerin, gleichzeitig Organistin an der Ev.-Luth. Kirchengemeinde zu den Zwölf Aposteln in Delmenhorst, führte mir im Laufe der Zeit ihre Orgel vor und entfachte in mir ein Feuer der Begeisterung für dieses Instrument. Mit zwölf Jahren bekam ich den ersten Unterricht an dieser Orgel. Prof. Günter Berger, Organist an der Führer-Orgel in St. Marien, Delmenhorst, unterrichtete mich ab 1966 bis zu meiner Organisten-Prüfung, der C - Prüfung im Jahre 1973. Es folgten weitere Ausbildungen bei M. M. Schmutte und A. Kettmann, beide als Kantoren in St. Marien tätig. Es folgten Chorleiter- und Organisten-Seminare, die ich erfolgreich absolvierte.

nl: Hatten Sie vorher schon Kontakt zur Allerheiligen-Kirchengemeinde?
WB: Ja, ich war von Beginn an Messdiener, also ab 1965, als die Kirche fertiggestellt war. Über die Messdienergruppe kam ich zur Jugendgruppe und wurde Jugendgruppenleiter der Gemeinde. In dieser Funktion kam ich in den Pfarrgemeinderat und war um das Jahr 2000 Pfarrgemeinderatsvorsitzender. So habe ich im Laufe der Zeit alle Gremien und Verbände sowie deren Mitglieder in der Gemeinde Allerheiligen kennen gelernt.

nl: Und praktisch ging es dann in Allerheiligen an der Orgel weiter?
WB: Als Organist der Kath. Militärgemeinde begann ich die praktische Tätigkeit als Musiker während der Ausbildung. Von 1965-1966 spielte Johannes Schmölling die Orgel in Allerheiligen. Durch seinen Wegzug aus Delmenhorst war diese Stelle frei geworden, und ich übernahm 1966 das Amt des Organisten in Allerheiligen, welches ich für zehn Jahre Inne hatte. Aus beruflichen Gründen verließ ich Delmenhorst, und Matthias Franke spielte die Orgel bis 1981. Bereits nach Delmenhorst zurückgekehrt, konnte ich, als M. Franke sein Studium in Mainz begann, an der mir bekannten Orgel in Allerheiligen ab Februar 1981 bis zum heutigen Tag die Kirchenmusik weiterführen.

nl: Wie stelle ich mir den Arbeitsalltag eines Organisten vor?
WB: Das beginnt schon tagelang vor dem Gottesdienst.  Die Lieder wollen entsprechend den liturgischen Texten herausgesucht werden, Das gesprochene Wort sollte mit dem gesungenen Lied im Kontext stehen. Das Lektionar und die Kantorenbücher sind dabei sehr hilfreich. Ebenso wichtig ist die Kommunikation mit dem Zelebranten des Gottesdienstes. Hat er eigene Liedervorschläge, die evtl. zu seinem Predigttext passen oder wünscht er eine musikalische Reflexion über ein bestimmtes Thema? Solche Fragen sind nicht fünf Minuten vor Beginn eines Gottesdienstes in der Sakristei zu klären. Jetzt bin ich ja in Rente, aber als Berufstätiger war es nicht immer leicht, als nebenamtlicher Organist einen gut strukturierten Gottesdienst zu gestalten.

Neben den Vorbereitungen für einen Gottesdienst hat das praktische Orgelspiel einen großen Stellenwert. Literaturspiel, Improvisation und Vertiefung der Techniken, z.B. der Fingerfertigkeiten und der Fußsätze, Rhythmen, das Einsingen der Kantorensätze nehmen viel Zeit in Anspruch. Ich versuche, täglich mindestens eine Stunde an der Orgel zu spielen.

Meine Hauptaufgabe ist die Begleitung der Gottesdienste. Daneben gibt es aber noch andere Anforderungen an den Organisten, die ich, wenn möglich, gerne erfülle. Es sind die „Wunschkonzerte“ bei Hochzeiten, Jubiläen und Trauerfeiern. Auch hierbei geht nichts ohne Vorbereitung.

Die Seifert-Orgel in Allerheiligen ist bei vielen Organisten als Konzert-Orgel bekannt. Wenn in Allerheiligen ein Orgelkonzert ansteht, ist mein Organisationstalent gefragt. Presse- und Medieninformation, Druck der Flyer und Plakate, Abrechnung der Gage bis zur Information des Küsters, der die Kirche durch Beleuchtung und Temperierung in einen Konzertsaal wandelt. Um all diese Dinge kümmere ich mich gerne, weil ich weiß, dass die Besucher die schöne Atmosphäre in dieser Kirche zu schätzen wissen.

nl: Und den Chor haben Sie auch geleitet?
WB: Stimmt, nicht nur als Organist, sondern auch als Chorleiter war ich in Allerheiligen tätig.  1984 habe ich den gemischten Chor gegründet. Über 30 Jahre leitete ich den Kirchenchor dieser Gemeinde, was mir viel Spaß und Freude bereitete. Nachwuchsprobleme und Überalterung führten zur Auflösung des Chores im Jahr 2015.

nl: Gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Kirchenmusikern?
Bestimmt haben Sie schon auf vielen anderen Orgeln gespielt?

WB: Zu Zeiten meiner Chortätigkeit hatte ich einen regen Gedankenaustausch mit den Chorleitern der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Stickgras und des Posaunenchores Hasbergen. Die gemeinsamen Auftritte und Konzerte waren ein gutes Beispiel für ökumenische Zusammenarbeit. Die Kirchenmusiker und -musikerinnen der Pfarrei St. Marien treffen sich einmal jährlich. Hierbei werden Termine in der Pfarrei, neue Kirchenmusikliteratur, Probleme im Organistenamt und gemeinsame Projekte besprochen. Es besteht ein kollegiales Verhältnis untereinander, was sich auch bei einer Vertretungssuche bemerkbar macht.

Durch Vertretungsdienste in der Pfarrei St. Marien und im Dekanat waren mir auch die anderen Orgeln bekannt. Mit Begeisterung spielte ich die Orgeln im Offizialbezirk bei den Chorausflügen ins oldenburgische Münsterland. Seit 2014 bin ich ebenfalls Organist der Gemeinde St. Hedwig in Ganderkesee. Mir zur Verfügung stand eine Orgel, die bereits 47 Jahre alt war, und deren Klangqualität sich im Laufe der Jahre dermaßen verschlechtert hatte, dass neben einer Grundreinigung und einem Austausch der Verschleißteile eine Generalstimmung der 648 Pfeifen unumgänglich geworden war. Diese Arbeiten erfolgten 2016. Hierbei wurde die Orgel klanglich richtig auf den Kirchenraum abgestimmt. Das ist zuvor noch nie gemacht worden.  Gleichfalls erhielt die Orgel ein neues hölzernes Schleierbrett. Fertiggestellt und der Gemeinde vorgestellt wurde die Orgel in einem Konzert mit den Organisten Udo Honnigfort, St.Marien, Thorsten Ahlrichs ,Kantor der Ev.-Luth. Kirche Ganderkesee, und dem St. Marien- Chor am 22. Januar 2017. So kann ich auch hier sagen: Es ist mir eine Freude, auf diesem „ neuen“ Instrument zu spielen.

nl: Im Vorgespräch hatten Sie einen Radiogottesdienst erwähnt. Wie war das?
WB: Die Übertragung des Gottesdienstes aus Allerheiligen im Radio durch den NDR am 3. Adventssonntag 1987 mit dem Kinder- und Kirchenchor von Allerheiligen habe ich in guter Erinnerung. Die Generalprobe am Samstag zog sich in die Länge. Die Technik musste auf den Klangkörper eingestellt werden. Die Zeiten der Ansprache und Lieder mussten auf die Minute genau stimmen. Trotz der Hektik musste man einen klaren Kopf behalten. Dann der Sonntag. Einlass-Stopp für die Besucher war um 9.00 Uhr. Der Gottesdienst begann pünktlich um 10.00 Uhr. Ich hatte Lampenfieber und die Sorge, dass ich Einsätze verpasse, mich verspiele oder die Zeit nicht einhalte. Aber als der Gottesdienst vorbei war, konnte ich nur hören, alles wäre gut gelaufen und meine Sorgen unbegründet gewesen, was auch in den guten Kritiken ausgedrückt wurde.

nl: Eine große Freude für Sie war Planung und Bau einer neuen Orgel
WB: Ja, unvergessen bleibt für mich die Zeit des Orgelbaus. Von der Planung im Jahr 1984, dem Aufbau bis zur Weihe der Seifert-Orgel am Palmsonntag 1986 war ich von Anfang an beteiligt. Ich lernte die Orgel in-und auswendig kennen. Kurz zur Orgel: sie verfügt über 2 Manuale, 22 Register und 1.518 Pfeifen. Diese stehen in einem Hauptwerk, einem Schwellwerk und einem Pedalwerk.  Steuern läßt sich das Instrument über eine elektrische Registertraktur und eine mechanische Spieltraktur.

Es ist ja nicht so, dass die Orgel keine Pflege und Wartung braucht. Lt. Wartungsvertrag kommt der Techniker der Orgelbaufirma und führt eine Stimmung und Wartung der Orgel durch. Das dauert je nach Umfang der durchzuführenden Aufgaben bis zu einem Tag, bei dem ich immer anwesend und behilflich bin: Tasten drücken, Vor-und Nachsorgearbeiten usw.

In den vielen Jahren meiner Organistentätigkeit habe ich gelernt, die eine oder andere Reparatur selber durchzuführen oder die Zungenpfeifen zu stimmen.

nl: Wenn die Orgel dann gut klingt, wird gespielt. Im Laufe von 50 Jahren kommen eine Menge an Liedern im Gottesdienst zusammen? Gibt es eine Schätzung von Ihnen?
WB: Wenn man fragt, wie viele Lieder ich in dieser langen Zeit gespielt habe: hochgerechnet bei neun Liedern je Gottesdienst, bei zwei Gottesdiensten am Wochenende sind es 864 Lieder pro Jahr; in 50 Jahren also etwa 43.200 instrumental begleitete Gemeindelieder. Dabei sind die Literaturstücke, z.B. zum Introitus, zur Kommunion oder das Postludium zum Ausgang nicht mitgezählt.

nl: Und welches von diesen vielen ist das Lied, was Ihnen am meisten gefällt?
WB: Lieblingslieder habe ich keine, aber ein Lied sagt mir besonders zu, das ist das Gotteslob-Lied 813 „Vertraut den neuen Wegen“. Besonders in der jetzigen Zeit der Pandemie gibt mir der Text des Liedes Kraft und Zuversicht.

nl: Nachfrage: Wie ist das heute in Corona-Zeiten, wenn das Singen im Gottesdienst der Gemeinde verboten ist?
WB: Stellvertretend für die Gemeinde singe ich dann allein, z.B. das Gloria, zum Sanctus oder eine Antiphon nach der Lesung. Auch das muss eingeübt werden, damit die Gemeinde das Wort versteht, d. h. deutlich und  gut artikuliert singen und die Orgel so zu registrieren, dass das Gesungene nicht übertönt wird.

nl: Welche Musik hören Sie privat? Beatles oder Rolling Stones? Oder Klassik?
WB:  „ Berufsbedingt“ höre ich viel Orgelmusik. Hierbei kann ich viel von den Interpreten lernen: Wie sind deren Registrierungen? In welchem Zeitmaß spielen sie die Werke usw. Natürlich höre ich auch aktuelle Musik, um auch da Mitreden zu können. Am Liebsten aber Musik aus den 60/70er Jahren, also Rolling Stones, Bob Marley, Bob Dylan, Genesis und Musik von Django Reinhardt.

nl: Zum Ende des Gesprächs eine persönliche Bemerkung, bitte.
WB: Das Talent, was ich geschenkt bekommen habe, macht mich sehr stolz und dankbar. Es macht mir einfach Spaß, den Zuhörern bei Konzerten und in den Gottesdiensten den Klang dieser Orgel näher zu bringen, sie zu erfreuen und sie vielleicht durch mein Spielen Gott ein Stück näher zu bringen.

nl: Vielen Dank für das Gespräch!
WB: Ich habe Ihnen zu danken. Ich habe Ihnen gerne von meinen „Organistenalltag“ berichtet. Danke sehr!

Wolfgang Bierek im Gespräch mit Norbert Lübke
Februar 2021